Dramatische Werke

Ausschnitt aus “Die Verkleidungen”

“Die Verkleidungen” ist eine Kömodie, bei dem es um einen Prinzen und eine Prinzessin geht, die beide nicht heiraten wollen und somit verkleiden sich der Prinz und sein Gefährte, Major von Mühling, als Schauspieler, um beim Baron beim Sommertheater mitzuwirken. Dieser ist ganz aufgeregt, denn der Prinz soll zu Besuch kommen. Leider hat das Lignitzer Sommertheater abgesagt und nun muss der Baron alle Rollen mit seinen Dienern besetzen. Die Prinzessin und ihre Gouvernante werden von Bediensteten des Barons entführt, weil sie noch eine Rolle zu besetzen haben und somit ist sie für das Sommertheater gleich engagiert. Die Prinzessin erkennt den Prinzen von einem Gemälde wieder, der Prinz kennt sie aber nicht. Sie sind immer noch in ihren Verkleidungen und die Verwirrung beginnt…

Hier nun ausschnittsweise die Szene, wo der Prinz und Major von Mühling zum ersten Mal auf den Baron treffen.

“Die Verkleidungen” – 8. Auftritt

Der Prinz. Der Major von Mühling. Vorige.

Major. Verzeihung, meine Herr’n, daß ungemeldet

Wir in das Zimmer treten! Hab’ ich nicht

Die Ehre, Herrn Baron von Mengerich…

Baron. Der bin ich. Wer sind Sie?

Major. Ich bin der alte

Der ehrliche V a n d e r M a s t , und dieser Herr,

Das ist mein junger, lust’ger Kamerad F l i n k,

mein Telemach, wenn ich so sagen darf,-

Der wild’ste Zeisig, Herr Baron, auf Erden,

Ein Schnurrenmacher. Voller Faxen steckt er;

Die Zunge steht dem Jüngling niemals still.

Prinz (leise, gereizt). Mühling, ich bitte, lassen Sie den

Spaß!

Baron (sieht ihn von der Seite an. Nach einer Pause).

Jung ist der junge Mensch, ich seh’s, doch aber

Von Lustigkeit bemerk’ ich nichts, just’ment.

Mendel. Er hat ‘nen Zug von Phlegma unters Auge.

Major. Verstellung, Herr Baron! O, glauben Sie,

höchst sprudelnder Humor!

Baron (für sich). Potz Gecken und kein Ende!

(Zum Prinzen.)

Zu meiner Zeit, da sprach man mit den Leuten.

Die Zung’ ist Ihnen, Schatz, wohl eingefroren?

Sie kommen, Bester, mir – ich muß gestehn –

Wie ‘n äußerst kurioser Jüngling vor.

Prinz. Das mag wohl sein; indessen steht’s so schlimm

Mit jungen Thoren nicht; sie bessern sich.

Doch alte Narr’n, die bleiben, was sie sind.

Baron. Wie? Alte Narr’n? Gotts Blitz! Ging das auf

mich?

Verflucht! Herr Flink, was unterstehn Sie sich?

Soll ich mein Hausrecht brauchen?

Prinz. Herr Baron,

Ich möchte das nicht zum zweiten Male hören.

Baron. Oho? Klingt’s so? Das ist mir grade recht,

Ich führt’ in Frankfurt auch mal meinen Hieber.

Mendel, verfügen Sie sich zur Garderobe,

Holen Sie das Schwert aus dem Torquato Tasso!

Es steht am Grab von Romulus und Julchen!

Mendel. Waih mer. Ich mach’ in Eisen kein Geschäft.

Major (klatscht die Hände). Bravo! Bravissimo! 0 Flink,

Was hast du

Heut meisterlich gespielt! Er s t e l l t sich böse,

Und dieser Herr wird drüber bös im Ernst.

Sehen Sie, was Flinkchen Riss in seinem Kopf hat!

O Junge, lass dich embrassiren für

Die lust’ge Scene!

Prinz. Bleiben Sie mir vom Halse!

Baron. Zum Geier! Nun hab’ ich die Sorte satt!

Ich dächte – nichts für ungut – draußen wär

Sehr schöne frische Luft. Verstanden, denk’ ich!

Wir sind im Schloss hier grade so complett,

Ich mein, an Narr’n, und brauchen keine weiter.

Wer sind Sie denn? Was treiben Sie? Was woll’n Sie?

Major. Wir sind Schauspieler, und Ihr Ruf, mein

Herr,

Zog uns hieher.

Baron (verwandelt). Schauspieler sind Sie? – Mendel!

Major (leise zum Prinzen). Es hilft nichts, Prinz, Sie

Stecken in der Rolle;

Sie muss gehalten werden.

Prinz. Herr Baron –

Sie wissen nun – der Herr da sagte Ihnen…

Baron (nimmt ihn beim Kopf und küsst ihn). Daß du ein

Komiker wie Talma bist!

Schatz, Herzensjung! Da hast du noch ‘nen Kuß!

So göttlich, so natürlich spieltest Du,

daß wenig fehlt’ ich hätt’ dich ‘naus geworfen!

O Mendel, nie werd’ ich an Gott mehr zweifeln;

Denn der Allgüt’ge half uns wunderbar.

Wir haben’s Männerpersonal zusammen.

Der (auf den Prinzen deutend) spielt den Bacchus – d e r da

(auf den Major deutend) den Silen.

Prinz. Was für ein Stück und was für Rollen?

Baron. Kind,

Nicht Zeit, nicht Zeit! Lernst’s kennen, Flinkchen, wenn

Wir’s spielen!

Major. Ja, laß gut sein, lieber Flink!

Wir haben, wie ich glaube, oft gespielt

Und wußten nicht, wovon die Rede war.

Baron. Richtig, das ist der Gipfel neu’rer Bildung.

Nun fehlen noch die Weiber, A d r i a d n e

Und dann die A m m e.

Mendel. Ich hab’ Rat vor sie [sic].

Lieben Se Gewalt?

Baron. Wenn’ s sein muß, Mendel, ja!

Mendel. Es gaihn im Garten ‘rum zwei Frauenzimmer,

De Eine jung, de Andre wie ‘ne Tante.

Halten Se de Schickselcher (Mädchen, Jüdisch) im Garten fest,

So haben Se de Ariadne und de Amme.

Baron. ‘s ist Krieg! – Ich scher’ mich viel ums

Völkerrecht!

Mendel, befehlen Sie in meinem Namen

Den Musen und den Grazien und den Nymphen,

Den Parzen, den Medusen und den Furien,

Sie sollen auf die Damen vigiliren,

Sie arretieren und hertransportieren.

(Mendel ab.)

Major (zum Prinzen). ‘s kommt mir hier vor wie ein

Matrosenpressen.

Prinz. Ich wollt’, ihr wär’ aus dem verrückten Schloß.

Baron. Nun, meine Herrn, der alte Stock soll Ihnen

Ihr Stübchen öffnen. Werden sich wol etwas

Behelfen müssen. Ich erwart’ ‘nen Prinzen.

Na, Kinderchen, es gibt ein schön Stück Arbeit.

Wir stell’n ‘ne wahre Musterkarte vor.

Allein, es thut nichts; denn der Prinz ist nur

Ein dummer, junger Mensch.

Prinz (fährt auf). Mein Herr Baron!

Baron (schlägt ihn auf die Schulter). Spaßvogel, willst

Du wieder Faxen machen?

Nein, Kind, laß sein; jetzt ist nicht Zeit dazu.

Ja, was ich sagen wollte! Wie gesagt,

Der Prinz, das ist ein junger, dummer Mensch;

dem werden’s wir wol recht zu machen wissen.

Im Grund hab’ ich ihn auch nur gebeten

Des Alten wegen, um die Connexion

Mit d e m nicht zu verlieren. Kommt, Ihr Herrn!

Major (im Abgehn zum Prinzen). Gestehen Sie, die

Wahrheit wächst hier wild!

(Alle ab.)

Immermann, Carl Leberecht: Die Verkleidungen. In: Boxberger, Robert (Hrsg.): Immermann’s Werke. Vierzehnter Teil. Lustspiele. Berlin: Gustav Hempel 1883, S. 199 – 202.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner